Herr Rigling, können Sie uns in ein paar Sätzen sagen, worum es in Ihrem Buch geht?
Also, ich finde ja, dass der Tom im Mittelpunkt steht. Er ist auf der Suche nach seiner Lebensfährte, die von Nelly gekreuzt wird. Jeder sucht die Fährte auf eine andere Weise. Er, als Politik-Professor, hat die Fährte schon lange verloren und hat es nicht einmal bemerkt. Er lebt mit seinen Büchern und seiner Forschung im Elfenbeinturm und preist seine Unschuld. Nelly sucht ihr Heil im Vergnügen. Eine Mischung, die nicht passt, aber genau deshalb ideal ist. Und ob beide nach dieser Nacht im Schneesturm zusammen kommen, wer weiß das schon?
Martin Walser hat mir mal in einem Interview gesagt: »Liebe? Liebe ist alles, der Rest ist Entsprechung.« Ich glaube, da ist etwas dran. Nur dahinter zu kommen ist ziemlich schwer. Und noch schwerer ist es, dem Dahintergekommenen zu entsprechen. Und für viele Menschen sind andere Dinge, also ihre individuellen Freiheiten " wie in der Erzählung also das Bücherlesen und das Reisen " wichtiger geworden, als sich mit einem anderen Menschen auseinanderzusetzen.
Die zentrale Botschaft in Ihrem Buch?
Keine Ahnung. Die Botschaft interpretieren in der Regel die Kritiker hinein. Ich wollte einfach nur eine Geschichte erzählen. Dass zum Schluss vielleicht eine Botschaft herauskommt, ist dann eher Zufall. Aber ich glaube, es ist der falsche Weg, zuerst eine Botschaft zu haben und dann eine Geschichte zu schreiben. Andersherum funktioniert es.
Was hat Sie zum Schreiben Ihres Buches veranlasst?
Eine Freundin wollte von mir wissen, warum ich so viele Bücher habe. Bücher könnte man doch auch ausleihen. Die Frage hielt ich für skandalös, konnte sie aber auch nicht schlüssig beantworten. Und so fing alles an. Aber die Freundin hat jetzt mit Nelly nichts zu tun, aber auch gar nichts.
Spiegelt sich auch nichts Autobiografisches in Ihrer Erzählung?
Jetzt zu behaupten, alles ist erfunden, ist natürlich einfältig. Die Fantasie spiegelt ja auch das wider, was man erlebt hat oder auch nicht und es deshalb gerne erleben wollte. Ich war leider nie auf einer solchen Gartenparty. Ich bin glücklich verheiratet.
Wie lange haben Sie an der Erzählung gearbeitet?
Das möchte ich eigentlich nicht verraten. Aber gut, es waren zwei Jahre. Für nicht einmal 80 Seiten ist das ziemlich lange. Aber ich konnte über einen längeren Zeitraum nur im Urlaub schreiben. Das war dreimal in der Normandie. Ansonsten schrieb ich unregelmäßig, wenn es meine Zeit zuließ.
Sie sind Journalist, wie kamen Sie denn zum belletristischen Schreiben?
Schon als Kind habe ich kleine Geschichten geschrieben. Der Urlaub am Großglockner mit den Eltern war das erste, jedoch unvollendete Werk. Spätestens mit meinen schwachen Deutschnoten in der Schule habe ich es jedoch aufgegeben. Nach gut zehn Jahren als Journalist habe ich mir gedacht, jetzt hast so viele sachliche Texte geschrieben, lass doch einfach mal der Fantasie freien Raum.
Was macht für Sie den Reiz des Erzählens aus?
Gerne sitze ich im Cafe und schaue den Leuten zu, dabei entwickle ich kleine Lebensgeschichten über diese Leute. Nichts ist kreativer, als die Fantasie laufen zu lassen.
Für wen schreiben Sie, wen sehen Sie als Ihre Leserzielgruppe?
Als Journalist muss ich auf meine Leser achten. Was interessiert die Menschen? Wie denken sie? Bei uns im katholischen Baden muss ein Papst-Karikatur mit Bedacht ausgesucht werden. Als Buchautor von Nelly wollte ich diese innere Schere ablegen. Ich habe nur für mich geschrieben. Wenn es dann noch jemand kauft und toll findet, dann bin ich wirklich dankbar.
Was hat Sie zur Veröffentlichung Ihres Buches ermutigt?
Ich war die ersten sechs Wochen des Jahres mit einem gebrochenen Knöchel zu Hause. Wenn man so will, ein tiefer Fall. Das Manuskript zu verschicken war wie ein Wiederaufstehen.
Sie haben vor der Veröffentlichung Ihr Buch von einem externen Lektorat lektorieren lassen, welche Erfahrungen haben Sie mit dieser Form der Zusammenarbeit gemacht?
Nur die allerbesten. Das Ganze war konstruktiv. Mein Arbeit als Journalist hat das auch erleichtert. Bei mir hat immer der Gegenleser Recht. Er ist der Leser " nicht ich.
Wie lange hat es gedauert, bis Sie einen Verlag für Ihre Erzählung gefunden haben?
Fünf Monate. Vier Verlage wollten bereits nach zwei Wochen Verträge mit mir abschließen, ohne je ein Wort über die Qualität des Manuskripts verloren zu haben. Einer schreibt mir heute noch und wollte mich schon für Interviews auf der Buchmesse vermitteln. Da könnte man schon schwach werden. Aber da ich irgendwie durch meine Arbeit mit dem Gewerbe auch etwas zu tun habe, bin ich ein misstrauischer Mensch und habe mich von Frau Stangl neben den Stärken gerne auch über die Schwächen meines Buches aufklären lassen. Das hat mir gefallen und imponiert.
Haben Sie ein literarisches Vorbild?
Martin Walser mag ich persönlich nicht nur wegen seiner Schreibe. Ganz toll finde ich Alex Capus, mit dem ich auch schon ein paar Mal zu tun hatte. Der hat sich dem modernen Schreiben nicht verschrieben, sondern dem geht es einfach darum, eine Geschichte zu erzählen. Denn das wollen die Leser haben, eine Geschichte mit wirklichen Menschen. Aber Vorbilder habe ich keine. Jeder muss seinen eigenen Weg gehen, die anderen können nur ein Beispiel geben " mehr auch nicht.
Interiew von Andrea Stangl, Lektorin von "Nelly im Schnee"